Berichte 2016

Padedö Likedehler erkämpft sich den 2. Platz bei Skagen rund

Start bei der Nordseewoche. Lange diskutieren die Crewmitglieder der padedö, wollen wir das wirklich? Die Regatta wird als eine der schwersten und anspruchsvollsten Regatten Deutschlands deklariert. Auf den Internet-Seiten des Veranstalters zeugen zahlreiche Berichten von den vielen Unfällen auf See in den letzten Jahren.
Das Votum der Crew fiel klar aus: Nach Edinburgh, Bornholm rund, Lyö rund soll es nun Skagen rund sein!

Die Anforderungen an Schiff und Mannschaft sind eine Herausforderung: 24 Seiten ISAF-Sicherheitsvorschriften in Englisch (die deutsche Version ist leider nicht korrekt). Aber unser Dehler 34 ist ja von einem unserer Voreigner direkt für das Fastnet Race bestellt und von Dehler mit extra verstärkter Bodengruppe gefertigt worden. So lautet unser Resümee: Wir schaffen das!

 

Bootsausrüstung
Nachzurüsten ist: AIS mit Sender und Empfänger, Radarreflektor, Weichholz-Leckstopfen (jeweils befestigt am entsprechenden Seeventil), Notboje, 2 Wurfleinen, 2 Anker, 3 Feuerlöscher plus Löschdecke, Bolzenschneidgerät, 2 zusätzliche Lenzpumpen, EPIRP, EPFS (Electronic Position-Fixing System), Rettungsinsel, Rettungsboje, pyrotechnische Seenotsignale und rote Sturmsegel, mit denen eine Wende und eine Halse vor den Augen der Wettfahrtleitung zu segeln ist. Dank Arzt an Bord starten wir sogar mit Arztkoffer und Defibrillator …
Auf Grund des AIS kann uns jeder jetzt und auch bei zukünftigen Regatten live am Bildschirm folgen; z. B. unter dem Programm „Marinetraffic“ (https://www.marinetraffic.com/de/) sind wir unter dem Suchbegriff PADEDOE LIKEDEHLER zu finden.


An dieser Stelle danken wir unseren Unterstützern:
•    Stefan Meining danken wir für die Bereitstellung der Dehler 34 Sturmsegel,
•    Georg Westphal für die Bereitstellung der Seekarten
•    Achim Graf für das Drechseln der Leckstopfen mit den angepassten Nennweiten der Seeventile
•    Renate Giercke für die Überarbeitung der Website und die vielen „just in time“ Einträge
•    dem SVT sowie den Pfingstfahrern für die Freistellung unseres Segelwartes Joachim.

Mannschaft
2/3 der Mannschaft müssen neben dem SSS, dem SRC Funkzeugnis auch ein  gültiges Zertifikat der ISAF über die Teilnahme eines Approved Offshore Personal Survivals Trainings vorweisen, welches nicht älter als 5 Jahre sein darf. So starteten wir bereit im Winter zuvor in Neustadt mit der erfolgreichen Absolvierung des Survivals Trainings. Bei Heiner reicht noch nicht mal der Arztausweis, er musste ein spezielles Training „Erste Hilfe auf See“ nachweisen.


Neben den seglerischen Voraussetzungen müssen auch die persönlichen Gegebenheiten geklärt werden. Neben den Gesprächen mit Ehepartnerinnen und der Verwandtschaft  ist der Arbeitsgeber bzw. bei Selbständigkeit die Praxisvertretung einzubinden. So steht etwa 4 Wochen vor Start die endgültige Crew fest:
•    Wache A: Ulrich Mark und Heinrich Brandt
•    Ralf Giercke (Skipper)
•    Wache B: Dirk Müller und Joachim Gerds (Speedy)

 

Überführung nach Wedel

 

Wir stehen vor der Frage, entweder durch den Nord-Ostsee-Kanal zu fahren oder durch den Elbe-Lübeck-Kanal und die Elbe nach Wedel zu kommen. Wir entscheiden uns angesichts sehr tiefer Temperaturen, Bauarbeiten an den Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals und eines starken NO-Windes in der westlichen Ostsee für den Elbe-Lübeck-Kanal.

 

Montag, 09.05.2016

Start zur Kanalfahrt mit kleiner Crew: Renate und Detlev begleiten mich über die Trave und die Schleusen Büssau, Krummesse, Berkenthin, Behlendorf, Donnerschleuse, Witzeeze nach Lauenburg, wo wir im Sportboothafen direkt hinter der letzten großen Schleuse übernachten.

 

Dienstag, 10.5.2016

2. Tag von Lauenburg nach Hamburg. Vorbei an der wunderschönen Altstadt von Lauenburg, den Elbmarschen und rein in die riesige Schleuse in Geestacht. Weiter in die City von Hamburg, durch die Brücken, die wir nur von der Autobahn kennen. Und da liegt sie irgendwie sehr beeindruckend – die neue Elb-Philharmonie. Unser Liegeplatz im City Sportboothafen ist direkt daneben.

 

Mittwoch, 11.05. 2016

Weiter geht es die Elbe abwärts bei ablaufenden Wasser mit 8-9kn über Grund nach Wedel, wo der Mast gesetzt wird und das Schiff in den Regatta Modus versetzt.

 

Hamburg – Cuxhaven. Die erste Wettfahrt der Nordseewoche

Freitag, 13.05.2016

Morgens um 8.00 Uhr starten wir bei strahlendem Sonnenschein, leichten Nebelschwaden auf der Elbe bei ablaufendem Wasser am Yachthafen Wedel mit 3 kn Wind zusammen mit weiteren ca. 80 Teilnehmern. Wir treiben über die Startlinie – Spi hoch und dicht, sehr dicht am Luv-Ufer der Elbe hangeln wir uns nach klassischer Mittwochssegel-Manier wie auf der Trave von Buhne zu Buhne. Immer wieder versuchen die großen und schnellen Yachten uns in Luv zu überholen, immer wieder segeln wir bis auf die 2m-Tiefenlinie. Da kommen die nicht an uns vorbei. Die Hamburger Großsegler mit ihren Swans etc. fluchen, in Lee parken sie neben uns ein.

 

In Höhe AKW Brokdorf frischt der Wind auf und dreht gegenan. Toll – kreuzen mitten zwischen den dicken Pötten ... Kurz vor Cuxhaven kentert die Tide und nun geht es gegen Wind (25 kn) und Strom. Wir kriechen in Luv über die Flachs. Laut Seekarte fahren wir über Land! Wir sind aber schneller als die großen Yachten in der Strommitte. Kurz vor dem Ziel wenden wir in den Strom und schießen bei ordentlich Abdrift durchs Ziel. Völlig überraschend werden wir bei der Siegerehrung aufs Podium gerufen:

 

2. Platz (Gruppe ORC Delta) der Traditionsregatta der Hamburger!

 

Nach der Siegerehrung spricht uns mit einem Schmunzeln ein alter Hamburger Segler an und meint, dass die ersten drei Plätze eigentlich fest für Yachten der Hansestadt Hamburg vorgesehen sind. Tja, da kamen nun Segler vom SVT aus der Hansestadt Lübeck und schnappten sich den 2.Platz weg!

 

Cuxhaven – Helgoland. Die zweite Wettfahrt der Nordseewoche?

 Samstag, 14.05.2016

 Heute soll uns die zweite Wettfahrt nach Helgoland führen. Doch die Wettervorhersage und die ausdrückliche Aufforderung der Wettfahrtleitung, zu prüfen, ob Schiff und Mannschaft für 40 kn + x aus NW geeignet sind, bringt uns sehr ins Grübeln. Die Hafenmeisterin zeigt uns die Kamerabilder von der Elbe bei Neuwerk. 5 m Welle mit dem Wind türmen sich gegen den Strom auf. Nach eingehender Diskussion beschließen, wir heute nicht zu starten – wie viele andere gemeldete Boote auch. Die Windmesswerte aus Helgoland bestätigen uns in unserer Entscheidung.

Die rote Linie zeigt die Böen, die blaue die Windmittelwerte.
Die rote Linie zeigt die Böen, die blaue die Windmittelwerte.

Sonntag, 15.05.2016

Heute geht es nun mit ablaufendem Wasser Richtung Helgoland. Immer noch steife Brise mit Windstärke 6-7 und bis zu 5 m hohe Wellen bei Scharhörn, aber abnehmend. Es ist eine der härtesten Touren, die unsere Crew je gesegelt ist. Ganze Wellengebirge stürzen in der Kreuzsee der Elbemündung über das Schiff. Hart am Wind läuft das Schiff die Welle bergauf – weiter, weiter, immer noch nicht oben? Dann kommt er, der Wellenkamm, das Schiff kippt nach vorn, die Wassermassen des Gischt-Kamms ergießen sich über die Sprayhood in die Plicht. Im Wellental ist der Wind weg, um im gleichen Moment wieder giftig zuzuschlagen. Sich kreuzende Wellen und Wellenkämme lassen das Schiff unglaubliche Bewegungen ausführen. Wie bei Interferenzen schießen wir plötzlich hoch, um anschließend in gähnende Wellenlöcher zu stürzen. Riss in der kleinen Fock. Was nun? An Segelwechsel ist gar nicht zu denken. Weiter geht es mit doppelt gerefftem Groß und Maschine. Der kleine Yanmar-Diesel schnurrt bis Helgoland in dieser tobenden See. Alle Achtung! Nach acht Stunden erreichen wir Helgoland und werden von vielen Seglern und der Wettfahrtleitung freudig begrüßt.

Aufbruch. Start zur Wettfahrt Rund-Skagen

Pfingstmontag, 16.05.2016

Gegen 14:00 Uhr erwartet die Wettfahrtleitung alle Teilnehmer mit angeschlagenen roten Notsegeln zu einer Wende und Halse, AIS- und Radarreflektor-Prüfung. Einige Teilnehmer dürfen gleich wieder in den Hafen. Notsegel nur provisorisch anzubenzeln zählt nicht.

 

Die Beteiligung laut Meldeleiste liegt bei 62 Yachten. Bei der Steuermannsbesprechung wird jede Yacht von Pantaenius mit einer guten Flasche Rum für kalte Zeiten ausgestattet – dem „Rum Skagen rund“. Meeno Schrader kalkuliert an Hand der Geschwindigkeitsprofile der Yachten die wahrscheinliche Ankunftszeit in Kiel. Für uns soll es Freitag, der 20. Mai sein, je nach Wind, Strömung und Tiden. Na mal sehen, was dabei rauskommt.

 

Sekunden bis zum Start. Komisch, außer uns kaum einer an der Startlinie. Sind wir auch richtig? Ja, als zweites Schiff über die Startlinie bei diesem Pulk an Schiffen! Mittwochssegeln übt halt. Zweiter Schenkel um die Insel ist ein Spikurs. Also Spi hoch, wenn auch nur für 20 Minuten. Schön innen bleiben, abfallen können wir immer noch!

 Hart am Wind bei ca. 30 kn Wind, 9° C Luft, 11° C Wassertemperatur, Kurs N-NW-N und 3-4 m Welle Richtung Westtonne Horns Rev, eingehüllt in drei Lagen Fleece-Unterwäsche und entsprechenden Arktis-Anzügen, doppelten Fingerhandschuhen und Thermomützen kämpft Schiff und Mannschaft gegen Wind und Wellen. Können wir nicht wenigstens einen kleinen Schrick in die Segel geben? Nein, abfallen können wir immer noch!

 

Bei 6,5 kn Geschwindigkeit wirken wir auf einige Überholer wie eine lahme Ente. Die „Outsider“, eine Elliot 52s, überholt uns locker mit 18 kn Geschwindigkeit am Wind. Whow! Aber viele große Yachten, wie z.B. die Yawl „Peter von Seestermühe“ sind klar schneller wie wir, halten aber nicht die Höhe wie wir. In der Nacht blinken hunderte von Windkraftanlagen, so ist die Tonne Horns Rev schwer auszumachen. Zudem kommen jetzt auch noch Vorfahrt-Situationen auf, da die Schiffe, die nicht so viel Höhe laufen, vor Horns Rev aufkreuzen. Mann, das wird knapp! Mehr Höhe kneifen. Ein Drücker hilft und die Tonne bleibt eine Handbreit an Steuerbord liegen! Puuuuh, wie war das noch mal: Abfallen können wir immer noch!

 

Mitten in der Nacht kommt die Fock runter. Mist – Fockfall gerissen. Per Lifebelts gesichert, unter überkommenden Wellen schlagen Heiner und Ulli das zweite Fockfall an. Großartige Leistung!

 

Endlich können wir jetzt aber etwas abfallen. Segel ein wenig auf und los geht die Sause Richtung Skagen. Wie ein Rennboot sausen wir bis zu 9,5 kn beim 70° Kurs über die Riesenwellen. Was uns wohl in der Jammerbucht erwartet? Meeno deutete so einen kleinen Trog an?!? Nun, abnehmender achterlicher Wind bis Flaute wird Realität. Endlich kann ich den Kocher anschmeißen. Das Gulasch von Schinken Nissen schmeckt prächtig.

 

Irgendetwas piept im Schiff. Das Voltmeter zeigt weniger als 11 V, der Saft ist alle, obwohl wir doch zwei Batterien haben? Bei einer Crew mit zwei Elektro –Ingenieuren muss das Problem doch zu lösen sein: Speedy und ich kopfüber im Maschinenraum, Klemmen lösen, Kabelbäume inspizieren, neue Ösen kneifen, abgerissene Kabel wieder anschließen. Läuft – puuuh, und das in der Jammerbucht!

 Wie friedlich schwingt sie da auf und ab, die Tonne Skagen. Schon sind wir im Kattegat und der Wind KOMMT AUS SÜD! Nein, nicht schon wieder kreuzen! Jetzt die kleine Hackwelle, Strömung mit 1,5 kn gegen an Richtung Läsö. Kreuzen, kreuzen, kreuzen, kreuzen, kreuzen, Fischkuttern ausweichen, kreuzen, kreuzen, kreuzen, Schleppverband ausweichen, kreuzen. Plötzlich – kein Wind!

 

Wo ist er? Am Ufer, am Strand! So haben wir immerhin schon mal die Travemünder Woche gewonnen. Hin zum Strand, auf der 2,5 m-Tiefenlinie segeln wir immerhin mit 4-5 kn bei einer schwachen Landbrise. Der Rest der Nordseewoche-Segler steht, treibt zurück, laut Tracking negative Geschwindigkeit. Über Funk melden sich die ersten Teilnehmer ab, aber wir fahren immer noch.

 

Vor Samsö kommt der Wind aus S-SO-S. Hoch, höher am Höchsten segeln wir unter der Brücke über den Großen Belt. Mit einem langen Schenkel kreuzen wir entlang von Langeland. In der Nacht ist der Schiffsverkehr beeindruckend. Schleppverbände, Containerriesen, Tanker, Frachter und Schnellfähren sind zu umkreuzen. Dank AIS können wir sie identifizieren, sie aber auch uns und so segeln wir hoch am Wind an allen brav vorbei.

 

An der Südspitze Langelands dreht der Wind. Toll – Richtung SW, gerade daher, wo das Ziel in Kiel liegt. Also, kennen wir mittlerweile: kreuzen, kreuzen, kreuzen und immer Höhe halte. Denn: Abfallen können wir immer noch.

 

Samstagmorgen, der 21.Mai: Die Sonne über Strande geht auf. Nebelschwaden umhuschen uns, Funkspruch an die Wettfahrtleitung: wir kommen! Zieltonne im Nebel identifiziert, am Strand bauen sich Fotografen auf, die Wettfahrtleitung rennt hin und her, die Kanone wird bei Zieldurchfahrt gezündet. Peng, wir sind angekommen!

 

Nach 4 Tagen und Nächten, 16 Stunden, 42 Minuten und 26 Sekunden im Ziel. Alle Anspannung weicht nur noch dem Jubel. Der Chef von Pantaenius gratuliert uns und verkündet sogleich das Ergebnis: Kleinstes Schiff in der Regatta, als letzte im Ziel – berechnet: 2. Platz in unserer Gruppe und 15. Platz über alle Schiffe nach ORC.

 

 

Resümee:

Windstärke 6-7 aus NW, wo wir eigentlich hin wollen, 5 m hohe Wellen vor Helgoland, tosendes Wasser und wir stürzen uns in unser größtes Abenteuer. Wellen stürzen ins Cockpit , das Fall reißt in der Nacht, wir zittern, dass das neue Fockfall hält, wir bibbern vor Kälte, Nässe und Entkräftung, wir bangen, dass die eingerissene Fock hält, wir kämpfen 630 Seemeilen gegen den Wind auf der Kreuz.

 

Was für eine Erfahrung! Dank einer fantastischen Crew eine herausragende, sportliche Leistung und ein tolles Erlebnis!

 

Ralf Giercke

 

Feierliche Siegerehrung der Nordseewoche im November auf der Reeperbahn.

Für den 2. Platz gab es Silber, unser erster Silberbecher nach sehr, sehr vielen Gläsern

2. Platz in Gruppe ORCC Delta